Gesellschaftliche Veränderung ist notwendig

Veröffentlicht am 16.05.2019 in Ortsverein

Der SPD Ortsverein Martinsviertel-Johannesviertel ist befremdet angesichts der heftigen öffentlichen und  parteiinternen Reaktion auf ein Interview des Juso-Vorsitzenden in der Zeitung „Die Zeit“. Es darf darauf hingewiesen werden, dass der Begriff Jungsozialisten beinhaltet, dass sich ihre VertreterInnen zum demokratischen Sozialismus bekennen, auch sollte bekannt sein, dass dies für das SPD-Parteiprogramm gilt, wie übrigens auch gewerkschaftliche Grundsatzprogramme durchaus Formulierungen enthalten, die auf eine Überwindung kapitalistischer Auswüchse durch Unternehmensmacht hinweisen.

Dass der Sozialismus als Begriff in der autokratisch-kommunistisch organisierten ehemaligen DDR missbraucht worden ist, darf nicht dazu führen, dass eine System-Debatte von vornherein ausgeschlossen wird, ja dem Juso-Vorsitzenden von CDU-Politikern sogar eine politische Nähe zu solchen pervertierten Gesellschaften unterstellt wird. Zu Recht hat Kühnert dies in einer Fernsehsendung als infam zurückgewiesen. „Kollektivierung“ von Unternehmen bedeutet allerdings nicht „Verstaatlichung“, sondern eine Unternehmensstruktur der umfassenden Mitbestimmung von Stakeholdern, auch der ArbeitnehmerInnen, jenseits nur der Aktionäre wie derzeit. Der Ortsvereinsvorstand hält fest, dass über die durchaus brennenden tagespolitischen Probleme hinaus (z.B. der Mietenexplosion) auch der Diskurs über grundsätzliche gesellschaftspolitische Fragen möglich sein muss, auch und gerade bei der SPD.

Wir müssen den Debattenraum erweitern und nicht weiter zulassen, dass er immer enger auf neoliberale Theorien eingeschränkt wird. Kapitalismuskritik, d.h. das Bestreben, ungerechte gesellschaftliche Verhältnisse durch die ungezügelte Macht des Geldes überwinden zu wollen, ist ein Herzstück von Sozialdemokratie. Heute kommt zu den sozialen Verwerfungen in Deutschland und Europa – die Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter auseinander geht – hinzu, dass weitere sehr ernsthafte und besorgniserregende Entwicklungen die Lebengrundlagen der Menschen, nicht nur in Europa, zerstören könnten: der rasante Klimawandel, die Ausrottung hunderter von Arten, die drohende Überwachung von jedem einzelnen durch Künstliche Intelligenz. All diese schweren Gefahren haben durchaus viel mit den Besitzverhältnissen zu tun und dem Druck, der durch Mächtige an Ressourcen ausgeübt wird. Hinzu kommt das teilweise Versagen der Politik beim Erreichen selbstgesteckter Ziele und die Hinwendung vieler Menschen zu autokratischen Verhältnissen, auch in den USA und auch in Europa. Es muss möglich sein, hierüber einen Diskurs zu führen, ohne als „linksradikal“ diskreditiert zu werden.